Matthias Sauder von O2 Telefónica im Interview

Telefónica spart am richtigen Ende: Mit KI zu mehr Nachhaltigkeit

30.1.2024 von Bernd Theiss

Um trotz steigender Leistungsanforderungen im Netz den Energieverbrauch senken zu können, setzt Telefónica Deutschland auf modernste Technik. Matthias Sauder, Director Mobile Access & Transport Networks O2 Telefónica, erklärt, wie sein Team mit Google und Nokia künstliche Intelligenz und Cloud Computing für sparsamere Mobilfunkstationen einsetzen.

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Matthias Sauder
Matthias Sauder, Director Mobile Access & Transport Networks O2 Telefónica, im Interview mit connect.
© O2 Telefónica

Das Nachhaltigkeit bei Netzbetreibern hoch im Kurs steht, ist nicht erst seit einer überzeugenden Keynote von Telefónica CTO Mallik Rao auf der connect conference 2023 unter Branchen-Kennern kein Geheimnis mehr. Deshalb lud connect im dritten Quartal technisch Verantwortliche der drei Netzbetreiber zur Diskussion ein.

Zusammen mit Hakan Ekmen, CEO vom langjährigen connect-Netztestpartner umlaut ging connect Chefredakteur Dirk Waasen nach, wie sich der beständig steigende Datenhunger, steigende Stromkosten und das Gebot, Energie zu sparen unter einen Hut bringen lassen, ohne dass für die Kunden die Performance auf der Strecke bleibt.

Dabei setzt Telefónica zusammen mit Nokia und Google neben bewährten Rezepten, wie der Leistungsabsenkung an unbelebten Orten über Nacht, auch auf intelligente Konzepte, die sich lernend an Netzanforderungen anpassen und dabei auch auf individuelle Anforderungs-Peaks reagieren können.

Wie genau die drei Telekommunikations-Giganten der widersprüchlich erscheinenden Forderung Forderung von mehr Leistung für weniger Energie zusammen begegnen, erklärt Matthias Sauder, Director Mobile Access & Transport Networks O2 Telefónica, im Interview mit connect.

Roadmap Telefonica
2020 - 2023: Roadmap von O2 Telefónica bei der Implementierung des Energiesparkonzepts.
© O2 Telefónica

Das zu übertragende Datenvolumen in Mobilfunknetzen wächst kontinuierlich, auch die Energiepreise sind im letzten Jahr kräftig angezogen? Wie geht O2 Telefónica mit diesen Stressfaktoren um?

In der Tat: Der mobile Datenhunger der deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher legt kräftig zu. Allein das O2 Mobilfunknetz transportierte 2023 rund 4,8 Milliarden Gigabyte an Daten und damit etwa 40 Prozent mehr als im Jahr davor. Für uns Netzbetreiber ist die Herausforderung, trotz der exponentiell steigenden Datennutzung die Stromeffizienz zu erhöhen und unseren Energieverbrauch zu deckeln.

Das ist einerseits ein Kostenthema, andererseits wollen wir die Digitalisierung im Land möglichst nachhaltig und verantwortungsvoll vorantreiben. Im Antennennetz setzen wir daher seit mehr als zwei Jahren auf intelligente Energiesparmaßnahmen. Einzelne Frequenzbänder werden an unseren Standorten in Zeiten geringer Datennutzung in den Standby-Modus geschaltet. Seit letztem Jahr setzen wir hierfür auch Künstliche Intelligenz ein, die komplett über eine Cloud-Architektur gesteuert wird.

Die KI, die O2 Telefónica einsetzt, kommt von Nokia. Bedeutet das, dass nur bei Nokia-Netzkomponenten Energie gespart werden kann?

Grundsätzlich bieten alle großen Netzausrüster solche intelligenten Technologien an. Die Branche hat längst erkannt, dass wir nicht nur einen wichtigen Beitrag leisten, um die Digitalisierung für Wirtschaft und Verbraucher voranzutreiben. Vielmehr tragen wir auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Effizienz große gesellschaftliche Verantwortung.

Wir helfen mit unseren Technologien und Lösungen anderen dabei, Emissionen zu reduzieren – etwa, weil die Videokonferenz die persönliche Anreise per Auto oder Flugzeug ersetzt. Gleichzeitig verbrauchen wir als Branche selbst Energie und müssen dafür sorgen, die Nutzung so effizient wie möglich zu gestalten.

Die KI-Lösung von Nokia wird auf der Google-Cloud realisiert. Welche Rolle spielt die Abkehr von konventionellen Rechenzentren?

Die Cloud ist ein Gamechanger. Deshalb verlagern wir immer mehr Anwendungen und Funktionen in die Cloud. Schon heute laufen 80 Prozent unserer Systeme über die Cloud. Wir können dadurch Software-Updates und neue Features noch schneller in unser Netz einspielen und es dadurch besser machen. Durch die Cloud reduzieren wir die sogenannte “Time-to-market" für neue Technologien und Produkte deutlich – also die Zeit von der Idee und Entwicklung bis hin zur Inbetriebnahme.

Bisher mussten wir für neue Technologien eigene Hardware einkaufen, diese in unseren Rechenzentren aufbauen und ausgiebig testen. Heute nutzen wir die verfügbaren Ressourcen der Cloud, die sich flexibel nach oben und unten skalieren lassen. Auch das ist unter dem Nachhaltigkeitsaspekt wichtig: wir nutzen nur die Ressourcen, die wir tatsächlich benötigen. Damit ist die Cloud im Vergleich zu klassischen Architekturen besonders energieeffizient.

Google Next Cloud 2023
Naresh Rao, Head of Telco Data Google, Matthias Sauder, Director Mobile Access & Transport Networks O2 Telefónica und Josee Loudiadis, Head Of Analytics Nokia (v. l. n. r.), auf der Google Next Cloud 2023
© O2 Telefónica

Wo ist der Unterschied zwischen fest programmierten Energiesparmechanismen und der Steuerung durch KI?

Mit Künstlicher Intelligenz holen wir das Optimum aus den Energiesparmaßnahmen heraus. Unsere Maßnahmen bauen auf einem regelbasierten System auf, das sich an festen Parametern und Schwellwerten orientiert. Wir haben etwa vorgegeben, dass die Features nachts zwischen 0 und 6 Uhr die Frequenzen herunter- oder hochfahren, wenn bestimmte Schwellwerte erreicht werden.

Allein mit dieser Maßnahme konnten wir rund fünf Prozent Strom einsparen. Das reichte uns aber nicht. Wir wollten noch mehr aus den technischen Möglichkeiten herausholen und sind deshalb in den Dialog mit unseren Partnern getreten. Herausgekommen ist eine KI-basierte Anwendung, die sich die Datennutzung und Energiesparpotenziale deutlich detaillierter für jede Funkzelle und jede Tageszeit anschaut.

Künstliche Intelligenz analysiert das Nutzungsverhalten viel granularer und erstellt individuelle Profile, die sich je nach Standort, Wochentag und Tageszeit unterscheiden. Denn ein Mobilfunkstandort in der Altstadt hat andere Nutzungsphasen als ein Standort im Wohngebiet, im Gewerbegebiet oder entlang der Landstraße.

Die KI-Steuerung kommt bisher nur bei den Funkzellen, im so genannten Radio Access Network (RAN), zum Einsatz. Welchen Anteil am Gesamtenergieverbrauch eines Netzbetreibers hat das RAN und wieviel Energie lässt sich dort sparen?

Mit unserem Antennennetz haben wir einen großen Hebel, um Energie zu sparen. Mobilfunk- und Festnetz machen insgesamt 97 Prozent des unternehmensweiten Stromverbrauchs aus. Ein Großteil davon geht auf das Antennennetz mit seinen rund 28.000 Mobilfunkstandorten zurück. Wir können hier mit unseren Energiesparmaßnahmen rund zehn Prozent an Strom einsparen.

Das ist eine Menge und einer der Gründe, weshalb wir den Energieverbrauch im Netz weitgehend stabil halten können, während die Datennutzung exponentiell zulegt. Ich möchte aber betonen, dass wir uns dieses Thema ganzheitlich anschauen: Wir betreiben unser gesamtes Netz bereits seit 2016 zu 100 Prozent mit Grünstrom.

Wo erreicht KI die Spareffekte und wie flexibel reagiert die KI, wenn sich einmal ein Nutzungsverhalten ergibt, dass nicht den Vorhersagen der KI entspricht?

Durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz holen wir weitere Prozentpunkte an Energieeinsparungen aus unserem Netz heraus, weil sie Kundennachfrage und Nutzungsverhalten deutlich feiner analysiert. Das Netzerlebnis der Kundinnen und Kunden steht dabei stets im Vordergrund: steigt die mobile Datennachfrage unerwartet an – etwa, weil vor Ort eine große Party stattfindet – dann fährt die KI die vollen Kapazitäten unserer Basisstation hoch.

Wie schnell hat O2 Telefónica das KI-Projekt umsetzen können?

Wir haben vor mehr als zwei Jahren angefangen, Energiesparmaßnahmen in unser Netz zu implementieren. Das war bereits vor Ukrainekrieg und Energiekrise. Es ist unser eigener Antrieb, die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen, um unseren Energieverbrauch zu reduzieren und den CO2-Ausstoß zu minimieren. Wir wollen als Unternehmen spätestens 2025 Netto-Null-CO2-Emissionen in unserem Geschäftsbetrieb erreichen.

Bis 2040 soll das für unsere gesamte Wertschöpfungskette gelten, also auch für unsere Zulieferer. Von der Idee bis zum Start unseres KI-Projekts mit Nokia und Google Cloud haben wir nur wenige Monate gebraucht. Wir haben damit in puncto Energieeinsparungen einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht. Aber wir sind längst nicht am Ziel. Wir haben die Chance, mit 5G weitere Potenziale für eine nachhaltige und verantwortungsvolle Digitalisierung zu heben.

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